Gabriele Tergit, Gidon Kremer, Mieczysław Weinberg, Daniel Sloss und Teeling 15
Die freien Tage sind vorbei und wir sind wieder am Start! In unserer 294. Episode lasen wir ‚Effingers‘ von Gabriele Tergit, hörten ’24 Preludes Op. 100′ von Mieczysław Weinberg, gespielt von Gidon Kremer, sahen ‚Jigsaw‘ von Daniel Sloss und verkosteten den 15-jährigen Teeling.
Gelesen
Gabriele Tergit – Effingers (Schöffling und Co)
Gabriele Tergit wurde 1894 in Berlin geboren. Sie war eine deutsch-britische Schriftstellerin und Journalistin, bekannt wurde sie vor allem für ihre Gerichtsreportagen. Als Schriftstellerin wahrgenommen wurde sie für ‚Käsebier erobert den Kurfürstendamm‘. Nachdem Frauen nach dem Ersten Weltkrieg auch in Deutschland endlich studieren durften, holte sie das Abitur nach und studierte ab 1919 Geschichte, Soziologie und Philosophie in Berlin, München, Heidelberg und Frankfurt am Main, wo sie 1923 in Geschichte promovierte.
Nach dem Studium begann sie mit Gerichtsreportagen für den Berliner Börsen-Courier. Ihre erste feste Anstellung als Reporterin erhielt sie 1924 von Theodor Wolff, dem damaligen Chefredakteur des Berliner Tageblatts. Freiberuflich arbeitete sie bis 1933 als Journalistin für diverse andere Berliner Zeitungen und schrieb u. a. Gerichtsreportagen und Berichte für den Berliner Börsen-Courier, die Vossische Zeitung und die Kulturzeitschrift Die Weltbühne.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte sie nur noch kurz, ihre Reportagetätigkeit wieder aufzunehmen. Sie erlebte den ersten Prozess gegen Adolf Hitler, der zusammen mit Goebbels wegen eines Pressevergehens angeklagt war. Die daraus folgende Reportage und andere Artikel über die völkische Bewegung und die Nazis veranlassten die Nazis, sie auf ihre Gegnerliste zu setzen. Am 5. März 1933 um drei Uhr morgens überfiel die SA die Tergit-Reifenbergsche Wohnung in Siegmundshof in Berlin-Tiergarten. Die SA scheiterte an der mit Eisenbeschlägen verstärkten Tür. Ein Kollege vom Berliner NSDAP-Blatt ‚Angriff‘ gab ihr den Tipp, sich an den neuen Polizeireferenten Hans Mittelbach zu wenden, der ihr wiederum die noch sozialdemokratisch dominierte Schutzpolizei empfahl, die für eine kurze Zeit weitere Überfälle abwenden konnte.
Gabriele Tergit sagte später: „Ich roch, dass so ein gewaltiger Hass, wenn freigegeben, zu Mord führen musste“, und floh daraufhin mit ihrem Sohn nach Spindlermühle. Den Rest ihres Lebens verbrachte sie mit nahezu zwanzig unterschiedlichen Adressen im Exil. Ihr Mann bekam einen Architekturauftrag in Palästina und emigrierte daraufhin dorthin. Nach einem Aufenthalt in Prag folgten Gabriele Tergit und der Sohn ihm im November 1933. 1938 übersiedelten sie nach London. Dort wurde sie 1957 vom P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland als bestellte Sekretärin gewählt. Dieses Amt hatte sie bis 1981 inne. 1977 wurde sie im Rahmen der „Berliner Festwochen 1977“ wiederentdeckt: Das Feuilleton feierte sie als Neuentdeckung des Jahres, und ihre Romane wurden neu aufgelegt. Es gelang ihr, für mehrere alte Romanmanuskripte Verlage zu finden und sie schrieb ihre Autobiographie. Diese Werke erschienen jedoch alle erst nach ihrem Tod im Jahre 1982.
Es handelt sich bei ‚Die Effingers‘ um einen Familienroman – eine Chronik der Familie Effinger über vier Generationen hinweg. Außer dass sie Juden sind, unterscheidet sich ihr Leben in nichts von dem anderer gebildeter Bürger im Berlin der Jahrhundertwende. Es geht um Glück, Schmerz, Leichtsinn, Erfolg und Scheitern, wie anderswo auch. Ein typisch deutsches Bürgerschicksal in Berlin.
Als sich dann der Nationalsozialismus breitmacht, wird die Geschichte der Effingers von einer deutschen zu einer jüdischen. Wer wachsam ist, wandert aus.
Die Geschichte der Familie Effinger beginnt mit einem Brief des 17-jährigen Lehrlings Paul Effinger, und ebenso endet sie mit einem Brief: dem Abschiedsbrief des nunmehr 80-Jährigen kurz vor seiner Deportation in die Vernichtungslager. ‚Die Effingers‘ ist der zweite Roman von Gabriele Tergit. Sie hat ihn 1931 begonnen und er ist erst 1951 erschienen. Die Geschichte umfasst den Zeitraum zwischen 1878 bis 1948. Zum Zeitpunkt des Erscheinens kam das Buch beim Publikum zunächst überhaupt nicht an. Es wurde im Jahr 2019 schließlich von Schöffling und Co. neu aufgelegt.
Gehört
Gidon Kremer – Mieczysław Weinberg – 24 Preludes Op. 100
Mieczysław Weinberg
Mieczysław Weinberg wurde 1919 in Warschau geboren. Er war ein sowjetischer Komponist polnisch-jüdischer Herkunft. Er kam schon früh mit Musik in Berührung und begann bereits im Alter von 12 Jahren, Klavier am Konservatorium der Musikakademie Warschau zu studieren. Nach dem deutschen Überfall auf Polen 1939 brach er sofort seine Studien ab und floh über Minsk und Taschkent nach Moskau. Seine Familie wurde aufgrund der jüdischen Herkunft ermordet. Er wurde in der Sowjetunion von nun an Moisej Samulowitsch Wajnberg genannt. Zunächst ging er nach Minsk und studierte dort Komposition. 1943 schickte er seine erste Sinfonie an Dmitri Schostakowitsch, der ihn daraufhin nach Moskau einlud.
Noch im selben Jahr ließ sich Weinberg dort nieder und lebte bis zu seinem Tode in der russischen Hauptstadt als freischaffender Komponist. 1948 starb sein Schwiegervater Solomon Michoels bei einem vermeintlichen Autounfall, der von der Moskauer Geheimpolizei inszeniert wurde. Im selben Jahr wurde er wegen formalistischer Tendenzen gerügt. 1953 wurde er inhaftiert, weil er angeblich die Errichtung einer jüdischen Republik auf der Krim propagiert habe. Sein lebenslanger Freund und Mentor Schostakowitsch setzte sich daraufhin mit einem für die Zeit sehr mutigen Brief für ihn ein, seine Freilassung erfolgte letztlich jedoch aufgrund von Stalins Tod.
Die Oper ‚Die Passagierin‘ gilt als sein Hauptwerk. Es ist die Geschichte einer Auschwitz-Überlebenden, die „ihrer“ KZ-Aufseherin nach dem Krieg auf einem Ozeandampfer wiederbegegnet. Das 1968 fertiggestellte Werk des Komponisten wurde erstmals 2006 konzertant in Moskau uraufgeführt und erlebte 2010 – also 42 Jahre nach Fertigstellung – seine szenische Weltpremiere als Oper bei den Bregenzer Festspielen. Weinberg komponierte zudem eine große Anzahl von Filmmusiken.
Bevor Weinberg Werke veröffentlichte, zeigte er sie immer erst Schostakowitsch. Das galt auch umgekehrt. Es ist auch bekannt, dass sie sich gegenseitig zum Komponieren animierten, so lieferten sie sich quasi einen kleinen privaten Wettbewerb um Streichquartette. Unverkennbar ist der Einfluss jüdischer Folklore, der sich in charakteristischen Intervallschritten manifestiert. Die hohe strukturelle Bedeutung von Quarten und Quinten verweist dagegen eher auf Paul Hindemith. Allerdings ist teilweise auch ein Bezug von Weinbergs Musik zur Romantik zu erkennen; so zitiert er beispielsweise in seiner 21. Sinfonie „Kaddish“ das Thema der 1. Ballade in G-Moll von Frédéric Chopin.
Oft mutet Weinbergs Musik eher klassizistisch an. Nach einigen recht modernen ersten Kompositionen sind seine Werke später eher durch eine klare Tonalität gekennzeichnet. In späten Werken weitet Weinberg das tonale Idiom beträchtlich aus und schreibt eine eher introvertierte, persönliche Musik. Viele seiner Werke setzen sich mit der Thematik des Krieges auseinander. Seine letzten Werke hingegen, besonders die Kammersinfonien, sind teilweise von ungewöhnlicher Heiterkeit erfüllt und kehren wieder zu eingängiger Melodik und klarer Tonalität zurück. Er schrieb sieben Opern, 21 Symphonien, 4 Kammersymphonien, 17 Streichquartette, sechs Klaviersonaten, ein Violinkonzert, ein Cellokonzert, zwei Flötenkonzerte, ein Klarinettenkonzert und ein Trompetenkonzert.
Gidon Kremer
Gidon Kremer wurde 1947 in Riga geboren. Er ist ein lettisch-deutscher Violinist und Autor. Er erhielt ab dem Alter von vier Jahren im häuslichen Kreis Musikunterricht von Vater und Großvater. Im Alter von sieben Jahren besuchte er das Konservatorium von Riga, bereits mit Sechzehn wurde er mit dem Ersten Preis der Lettischen Sowjetrepublik ausgezeichnet.
Mit 18 Jahren ging er dann an das Moskauer Konservatorium, wo er Schüler von David Oistrach wurde. Er gewann mehrere renommierte Wettbewerbe.
1975 gab Kremer sein erstes Konzert in (West-)Deutschland, und 1977 in den USA. 1980 blieb er länger im Westen, als sein sowjetisches Visum ihm erlaubte. Kremer entschied sich, nicht mehr in die UdSSR zurückzukehren. 1981 gründete Kremer das Kammermusikfest Lockenhaus, das seitdem jedes Jahr im Sommer stattfindet, seit 1992 unter dem Namen Kremerata Musica. 1997 gründete er das Streichorchester Kremerata Baltica mit jungen Musikern aus den baltischen Staaten. Im selben Jahr wurde er zum künstlerischen Leiter des Festivals in Gstaad ernannt. Seit 2002 ist er künstlerischer Leiter des Basler Festivals ‚les muséiques‘ und ist außerdem im künstlerischen Beirat der Kronberg Academy. Seit 2004 veranstaltet er Ende Juni/Anfang Juli mit der Kremerata Baltica ein Festival in der lettischen Stadt Sigulda.
1993 veröffentlichte Kremer das Buch ‚Kindheitssplitter‘, 1997 ‚Obertöne‘, 2003 ‚Zwischen Welten‘ und 2013 ‚Briefe an eine junge Pianistin‘. Diese Bücher enthalten autobiografische Erzählungen und Auseinandersetzungen mit künstlerischen Themen. Kremer hat mit zahlreichen bedeutenden Orchestern und Dirigenten wie z. B. Leonard Bernstein, Herbert von Karajan, Christoph Eschenbach, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Riccardo Muti, Zubin Mehta, James Levine, Valery Gergiev, Claudio Abbado oder Sir Neville Marriner gespielt und über 100 CDs eingespielt. Er spielte darauf immer wieder Werke zeitgenössischer Komponisten ein, einen großen Teil auch als Uraufführung.
Es handelt sich bei diesen Aufnahmen um Gidon Kremers Transkription der Weinberg-Präludien für Cello. Diese 24 Präludien für Cello von Mieczysław Weinberg haben eine besondere Geschichte. Er komponierte sie Ende der sechziger Jahre für Mstislav Rostropovich, der sie jedoch nie spielte. Die musikalische Sprache dieser Präludien ist oft brutal, provokant und von einer inneren Zerrissenheit geprägt. Gidon Kremer hat nun diese Präludien für Solovioline adaptiert und diese Aufnahme ist die erste Einspielung seiner Adaption. In seinen Konzerten spielt er sie bereits zu Projektionen von Bildern des Fotografen Antanas Sutkus.
Gesehen
Daniel Sloss – Jigsaw
Daniel Sloss wurde 1990 in der Nähe von London geboren, wuchs allerdings in Schottland auf. Er ist Komiker, Schauspieler und Schriftsteller. Sloss war bereits als Teenager auf der Bühne und auch im Fernsehen zu sehen. Daniel Sloss war der jüngste Komiker, der im Alter von 19 Jahren ein Solo-Programm im Londoner West End spielte. Er tourte anschließend weltweit und war schließlich auch im US-Fernsehprogramm mit mehrfachen Auftritten in den Sendungen ‘Conan’ und ‘The Late Late Show’ mit Craig Ferguson zu sehen. 2018 veröffentlichte Netflix ein zwei-Stunden-Comedy-Special unter dem Titel ‘Daniel Sloss – Live Shows’ mit den Programmen ‘DARK’ und ‘Jigsaw’. ‚DARK‘ haben wir bereits in Episode 272 besprochen, hier soll es nun um ‚Jigsaw’ gehen.
Verkostet
Teeling 15
Wir sind mal wieder in Irland unterwegs! Im Jahre 1782 errichtete Walter Teeling eine Distillery in Dublin. Es folgten viele Besitzerwechsel. 1987 eröffnete John Teeling, ein Nachkomme von Walter Teeling, eine Brennerei in Cooley. Die Söhne Jack und Stephen arbeiteten mit ihrem Vater in der Distillery, bevor sie sie 2011 an Beam Suntory verkauften. Im Rahmen dieses Verkaufs verhandelten die Teelings den Kauf von befüllten 16.000 Fässern. Mit diesen Beständen startete Teeling Whiskey im Jahr 2012. Im Jahr 2015 gründeten die Teelings dann eine neue Whiskey-Brennerei im Newmarket Square in Dublin – nicht weit von der Stelle, wo die ursprüngliche Teeling Distillery einmal stand. Die Brennerei beschäftigt heute rund 55 Mitarbeiter und exportiert in 44 Länder. Wir haben diesmal den 15-jährigen Single Malt der Brennerei aus Dublin verkostet. Er wird mit 46% abgefüllt und ist weder gefärbt noch kühlgefiltert.